Zwei Täter bereiten die Geldautomatensprengung in Münchenstein vor: Sie fesseln und knebeln einen unbeteiligten Mann (verpixelt) im Vorraum der Bank. Zuständig für den Fall ist die Staatsanwaltschaft Bamberg (Deutschland).

Kreativ, perfekt organisiert, schnell, skrupellos

Die Zahlen verleiten zum Aufatmen: Geldautomatenangriffe sind 2023 um fast die Hälfte gesunken. Doch die Zahlen sind nur ein Teil des Lagebilds. Ein Blick auf die Täterschaft zeigt: Sie ist kreativ, top organisiert, schnell und skrupelloser denn je.

Vier bis fünf Minuten dauert eine Geldautomatensprengung normalerweise. Die Kriminellen sind Profis. Normalerweise läuft alles nach Plan. Nicht so am 17. März 2023 in Münchenstein. Als die Täter um 2.10 Uhr morgens in der Basellandschaftlichen Kantonalbank ankommen, befindet sich bereits jemand im Vorraum der Bank. Die zwei Täter zögern nicht: Sie fesseln und knebeln den unbeteiligten Mann und nehmen ihm sein Telefon weg. Anschliessend sprengen sie zwei Geldautomaten und einen Münzzähler. An ihre Beute kommen sie trotzdem nicht; die Banknoten sind mit Farbpatronen geschützt. Die Polizei findet kurz darauf den gefesselten Mann vor, befreit und versorgt ihn. Er kommt mit dem Schrecken davon. Die Täter sind geflüchtet.

Das skrupellose Verhalten der Täter ist keine Ausnahme. Die Gesamtzahl der Angriffe ist zwar um rund 40 Prozent gesunken (von 56 auf 32 Angriffe im Jahr 2023). Der Anteil von Angriffen mit Sprengstoff – die bevorzugte Methode der Kriminellen und zugleich die gefährlichste – bleibt aber konstant hoch. Angriffe mit Gassprengung oder Aufbrüche mit Werkzeugen sind hingegen gesunken. Das zeigt: Die Täter wollen schnell an ihre Beute – ohne Rücksicht auf Verluste.

Wer sind die Täter?

Rund die Hälfte der Sprengstoffangriffe geht auf das Konto von rumänischen Tätergruppierungen. Sie waren bereits vor 20 Jahren europaweit mit Geldautomaten beschäftigt, auch in der Schweiz. Ihre anfängliche Lassotaktik – dabei wird der Geldautomat mit einem Stahlseil herausgerissen – haben sie mittlerweile aufgegeben und operieren seit 2018 hauptsächlich mit hochexplosiven Sprengstoffen. Die Geldautomatenangriffe sind ihre Haupteinnahmequelle; einen Zustupf verdienen sich die Täter oft mit Einbruch- und Ladendiebstählen. Aus Ermittlungen im In- und Ausland weiss fedpol, dass sie Bordelle als Verstecke und Kontaktpunkte nutzen. Hochburg der Geldautomatensprenger ist die Stadt Tecuci in Rumänien.

Auch die Niederlande spielen im Business der Geldautomatensprengungen europaweit eine zentrale Rolle, und das seit rund 15 Jahren; in der Schweiz tauchen die Tätergruppierungen seit 2020 auf. Ein Grossteil der Sprengungen in der Schweiz geht auf das Konto der organisierten Kriminalität aus den Niederlanden. Die Täter sind oft – aber nicht ausschliesslich – marokkanischer Herkunft (daher der Name «Mocro Maffia»). Die Täter sind jung und Teil einer Subkultur, die die Geldautomatensprengungen in Musikvideos zelebriert. Sie waschen das gestohlene Geld in Schweizer Casinos und finanzieren damit vermutlich den Betäubungsmittelhandel.

«Geldautomatenangriffe sind die heutigen Banküberfälle. Das Ziel der Täterschaft sind die Geldautomaten, und ihre Waffe ist Sprengstoff. Bei Geldautomatensprengungen ist es nur eine Frage der Zeit, bis eine unbeteiligte Person verletzt wird.»

Sebastian*, Kriminalanalytiker

Was fedpol weiss, …

… weiss fedpol dank dem Informationsaustausch mit den Kantonspolizeien und ausländischen Partnerbehörden. Nachhaltig geschwächt werden kriminelle Netzwerke nur, wenn sie erkannt werden. So gelingen fedpol – unter anderem in Zusammenarbeit mit den französischen, den niederländischen und den deutschen Behörden – im Jahr 2023 mehrere Verhaftungen. Auch wenn die Zahlen 2023 um fast die Hälfte gesunken sind: Jede Geldautomatensprengung ist eine zu viel. Bei jeder Sprengung besteht die Gefahr, dass unbeteiligte Personen zu Schaden kommen.

* Name geändert

Wer sucht, der findet

Einreiseverbote und Ausweisungen

Bewilligungen und Erwerb in Bezug auf Vorläuferstoffe für explosionsfähige Stoffe